Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Wie man Kioskromane salonfähig macht

Mein Schundroman und ich #2

Der Cora-Verlag rief an und schickte gleich zwanzig Kioskromane hinterher. Im Rahmen von «Zürich liest» sei eine Groschenromanlesung geplant. Ich habe mich sofort freiwillig gemeldet. Mich mit dem Dramaturgen Dustin Hofmann zusammengesetzt und durch die Reihen «Baccara – heisse Leidenschaft», «Tiffany – Hot & Sexy», «Highlander», «Bianca – Familienglück» und «Julia – Reich und schön» gelesen. Wichtig war uns, das Genre abzufeiern und nicht mit dem Feuilletonblick auf die Texte zu schauen, denn die Hefte werden gekauft, gelesen und dem Verlag geht es sehr gut damit. Also kein Grund, sich lustig zu machen. Viel eher ging es uns darum, die Struktur dieser erwartbaren Geschichten und die Faszination, die zweifelsohne von ihnen ausgeht, zu begreifen. Die Liaison dangereuse mit den erotischen Sphären des Kioskromans nahm Fahrt auf. Die Geschichten von Rocco, Sergio, Domenico, Samantha, Sue und Alisha deckten alles ab – von der Historical-Highlander-Erotik bis zur New Yorker Speed-Dating-Romantik.

Die Geschichte des muskelbepackten Highlanders (Historical-Gold-Edition), der zwischen Höhlen und Wölfen zarte Frauengeschöpfe beschützt (die Grafikabteilung bei Cora photoshopölt ihn fürs Cover gern zusätzlich ein), wurde zur Kernerzählung. Drumherum explizite Sexszenen, die ich lesen wollte, um die Komfortzone zu verlassen. Die Lesung war ausverkauft, die Menschen entzückt und ich las Sätze wie: «Ihre Zungen tanzten Tango», «Er folgte ihr auf den Gipfel der Lust» bis hin zu meiner persönlichen Perle: «Ich werde dich lecken, bis du heiser davon bist, meinen Namen zu schreien», als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Das Publikum wusste Bescheid: Coleyne liebt seine Mary mehr als alle seine Kühe, Schafe und Pferde. Und Rocco macht kein Geheimnis daraus, dass seine Angebetete noch besser schmeckt, als sie aussieht.

Wie der Highlander behielt Dustin Hofmann die Contenance, während ich mich stark zusammenreissen musste, nicht ins Kreischen des Publikums einzusteigen.

Fortsetzung folgt! Vielleicht schon bald in deutschen Kaufhäusern oder in der Mehrzweckhalle von Offenburg. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

 

»
Illustration: Corinne Mock.
Verlogenes Pack

Trash ist uninteressant. Interessant ist das Gespräch darüber: denn es dreht sich stets um die kulturelle Distinktion zum Höheren über die Kenntnis des Niederen. Aber warum eigentlich? Ein Versuch.

Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!